Was tun mit so viel Hitzefrei?
Schlauchboot fahren gehen? Die Abende mit gekühlten Getränken am Landwehrkanal ausklingen lassen? Oder sich für den Rest des Sommers auf eine Datsche zurückziehen?
Nicht doch. Nichts liegt schließlich näher als an einer Comic-Challenge teilzunehmen!
Ein Comic pro Tag, jeden Tag ein anderes Thema.
Lizz Lunney, deren Arbeit ich schätze und folge, hatte zu comic-a-day-august aufgerufen und auch direkt Keywords für den ganzen Monat mitgeliefert:
(Falls sich jemand fragt, wie man den 31. August bespielen soll – das ist ein Joker. Man darf zeichnen, was man will.)
Nun ist es wohl Zeit für ein Geständnis. Das Geständnis, wenn man so will: Ich zeichne nämlich privat nicht besonders viel.
Zeichnen ist mein Beruf und ich liebe es, ihn auszuüben. Aber ich habe nicht diesen ständigen inneren Drang, meine Welt auf Papier festzuhalten. Neidvoll beobachte ich einige Kollegen, die immer und überall Stifte und Aquarellkasten auspacken und scheinbar mühelos und nebenbei eine schnelle Skizze hinlegen, egal ob im Kreuzberger Café oder im wackeligen Sammeltaxi in Georgien.
Ich dagegen kann mühelos eine ganze Woche keinen Strich machen, ohne dass meine Fingern zu kribbeln beginnen.
Einerseits. Andererseits:
Immer, wenn ich mich dann aufraffe – und es ist tatsächlich ein »Aufraffen« – dann macht es mich sehr froh.
Was kann ich also davon erwarten, wenn ich einen Monat lang jeden Tag einen Comic zeichne?
Richtig: 31 glückliche und beseelte Tage. (Und immerhin standen die Keywords ja schon fest, also könnte ich heimlich vorarbeiten.)
Ich habe natürlich vorbereitende Stil-Recherche betrieben. Ich untersuchte die Arbeit von Schnellzeichnern und Skizzenbuchgurus, allen voran Mike Lowery und Frollein Motte (von der mir bekannt ist, dass sie kein Radiergummi besitzt!). Wie macht man mit möglichst wenig Zeit und möglichst wenig Aufwand ein Bild, dass andere sich gern anschauen? Vielleicht so:
- Die Hälfe der Farben genügt
- Die Skizze ist näher an der Reinzeichnung, als man denkt
- Vier Finger pro Hand reichen vollkommen aus
Ich legte ferner zwei Stunden am sehr frühen Morgen fest, in denen ich mich mit #comicaday befassen würde. Nach Kaffee und Hunderunde, aber noch bevor die Sonne auf meinen heimischen Schreibtisch schien und es dort zu heiß zum Arbeiten würde – das ist nicht übertrieben, es ist immer noch Sommer in Berlin!
Tag 1 fiel mir leicht.
Und Tag 2 erst!
An Tag 3 fiel mir erst nichts ein (Keyword #DUCK), aber dann passierte das, was ich bis heute für meinen besten Comic des Monats halte. Ich zeichnete ihn nebenbei am Küchentisch, während ich mich mit meinem Besuch und meiner Mitbewohnerin unterhielt. Erst später merkte ich, wie gut er war. Alles stimmte: Storyline, Figuren, Farben. Ein wunderbares Versehen. Ein magischer Moment. Ich war von mir selbst hingerissen. Und kurz darauf entsetzt, denn: Alles, was danach kam, musste sich jetzt hieran messen lassen. Herrjeh.
Ab Tag 5 sprengte ich bereits die vorgesehenen zwei Morgenstunden.
Ab Tag 7 aß ich ausschließlich Haferflocken mit Milch und Bananen, um mehr Zeit zum Zeichnen zu haben.
Meine Studiokollegen legten mir ab Tag 9 wortlos und mit sorgenvollem Blick Joghurtschokolade und Weintrauben neben das Grafiktablett. Ich hatte ganz eindeutig ein »Drawers High«. Ich mochte, was ich mir ausdachte und zusammenzeichnete. Mein Privatleben lag zwar brach, aber ich war glücklich. Und verlor mich in Details.
Dann kam das zweite Augustwochenende und irgendwas in meinem Gehirn rastete ein. Oder aus. Ich weiß nicht genau. Für den Vier-Panel-Comic zum Keyword #RAIN brauchte ich rund fünf Stunden.
Fünf Stunden an einem Samstagnachmittag. Während draußen die Sonne und das Leben tanzte. Am Abend tat mir alles weh. Wie konnte etwas so skizzenhaft und leicht aussehen, aber so schwer sein? Und warum war es noch vor ein paar Tagen so einfach gewesen?
Ich trank am Abend etwas zu viel Wein, vielleicht war es auch Pastis, legte mich aufs Bett, ergab mich Erschöpfung und Selbstzweifeln und schlief mir die Dämonen aus Kopf.
Das Keyword am Folgetag war #EMOTIONS. Ich war in weniger als 45 Minuten fertig.
Inzwischen ist Tag 18. Ich habe bisher kein Keyword verpasst, werde aber auch keinen sonnigen Nachmittag mehr verpassen.
Auch habe ich noch kein Patentrezept gefunden, wie sich das passende Maß aus Anspannung und Entspannung ansteuern und halten lässt. Aber immerhin weiß ich inzwischen, dass ich eher die Tendenz habe, »zu viel zu wollen« als mal »Fünfe gerade sein zu lassen«. Auch deshalb schreibe ich diesen Blogpost: Als Reminder an mich selbst. Um sicher zu gehen, dass ich früh genug merke, wenn ich mich verzettele.
Wer sehen möchte, was bisher zum #comicadayaugust entstanden ist, der folge diesem Link zu meinem Instagram-Account.
Ich werde aber Anfang September zusätzlich alle Bilder aus der Challenge in eine nutzerfreundliche Galerie einsortieren und hier ins Portfolio stellen.
… hier könnt ihr euch übrigens die Bilder einiger folgenswerter Mitstreiter anschauen:
- Danny Noble – dem ich schon deshalb verfallen bin, weil sein Hund in jedem seiner Comics vorkommt
- Jo Berry – ein ganzer Monat Bildergeschichtenträume aus dem Schwimmbad und außerdem eine hinreißende Farbwelt
- Lizz Lunney – Ideengeberin, Chefin und Meisterin poetischen Humors in linienbetoner Simplizität
- Joanna Winograd – Hier lohnt es sich, weiiit nach unten zu scrollen. Joanna macht nicht nur tolle Comics, sondern auch schicke Frida-Kahlo-Portraits.
- Sam Schäfer – dessen Humor ich spätestens seit seinem #duck-Comic verehre. Was für ein Kopf!
So. Fertig. Flugmodus. Habt alle einen schönen Samstag!